Veranstaltung: | 1. LANDESMITGLIEDERVERSAMMLUNG GRÜNE JUGEND BRANDENBURG 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Leitanträge |
Antragsteller*in: | Vanessa Jordan-Heinrich, Ricarda Budke, Danilo Zoschnik, Pernilla Bandick |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 17.03.2018, 00:09 |
Leit1: FEMINISMUS FÜR ALLE - ALLE FÜR FEMINISMUS
Antragstext
Die GRÜNE JUGEND Brandenburg ist eine feministische Jugendorganisation, die sich
für Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Akzeptanz aller Menschen einsetzt.
Feminismus bedeutet für uns nicht nur die Befreiung der Frau aus
gesellschaftlich geschaffenen und historisch gefestigten Rollenbildern, sondern
die Befreiung einer jeden Person aus der Zwangsjacke der Geschlechter und
jeglichen damit verbundenen Zwängen, Erwartungen und Vorurteilen.
FEMINISMUS IST HUMANISTISCH
Dem Konzept der Intersektionalität folgend, kann echter Feminismus sich nur dann
realisiert sehen, wenn auch alle anderen Diskriminierungsformen bekämpft werden:
Niemand darf aufgrund des Geschlechts, Sexualität, Herkunft und/oder Hautfarbe,
sozialen und ökonomischen Voraussetzungen, körperlicher Einschränkungen, etc.
benachteiligt werden.
FEMINISMUS IST LIBERAL
Gleichheit, Freiheit und Selbstbestimmung aller Individuen ist Ausdruck eines
liberalen Feminismus der auf der Ablehnung jeglicher Hierarchien und
Patriarchalismus beruht. Um dieses Ziel zu erreichen wird ein Wohlfahrtsstaat
benötigt, der Gleichberechtigung aktiv durchsetzt und schließlich freie
Entscheidungen ermöglicht.
FEMINISMUS WILL MITEINBEZIEHEN NICHT AUSSCHLIESSEN
Das Ziel ist es nicht, Frauen gegenüber Männern zu bevorteilen und diese
gegeneinander auszuspielen sondern eine Gesellschaft zu schaffen, in der
Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, gleiche Chancen haben. LGBTTIQ*
Personen, die gegen ähnliche gesellschaftliche Ungerechtigkeiten kämpfen, wie
wir es aus der Geschichte der Frauenbewegung kennen, sind in unserer
feministischen Bewegung mit einbezogen. In diesem Sinne ist es für uns zentral
nötig, Feminismus und den sensiblen Umgang mit Sex und Gender als Teil sozialer
Kompetenz zu fördern.
FEMINISMUS BEDEUTET SOZIALEN FORTSCHRITT
Ein gesamtgesellschaftlicher Veränderungsprozess
der nicht nur Erwerbsarbeit honoriert und fair bezahlt,sondern auch
Pflege- und Heimarbeit wertschätzt,sowie Zugang für alle Menschen zu
Arbeit ermöglicht- Wir wollen eine Berufswahl und Aufstiegsmöglichkeiten
unabhängig vom Geschlecht stärken.
der die Teilhabe an Gesellschaft in Form von politischem Engagement oder
Partizipation in verschiedensten, demokratischen Interessengruppen bewusst
fördert und ideell sowie finanziell unterstützt.
der einen stetigen Dialog zwischen allen Menschen, losgelöst von jeglicher
gesellschaftlicher Etikettierung ermöglicht und somit Akzeptanz und
Toleranz schafft.
Unsere Zukunftsvision ist deshalb eine von Geschlechterkategorien und
Hierarchien losgelöste POSTGENDERGESELLSCHAFT, die die absolute Freiheit aller
garantiert, denn:
WIR SIND NICHT FREI, SOLANGE ANDERE UNFREI SIND.
Ideelles und eigener Verband
Selbst ein feministischer Verband wie die GRÜNE JUGEND Brandenburg ist immer
noch Teil unserer Patriarchalen Gesellschaft. Daher wollen auch wir uns kritisch
reflektieren und dauerhaft an uns arbeiten. Deswegen folgende Forderungen:
Die GRÜNE JUGEND Brandenburg tritt immer für Feminismus ein und betrachtet
jegliche Themenbereiche auch von unserem feministischen Standpunkt, wie
wir ihn zuvor skizziert haben.
Wir werden vermehrt darauf achten, dass bei Veranstaltungen der GRÜNEN
JUGEND Brandenburg Frauen* gleichberechtigt an Debatten teilhaben. Das
betrifft sowohl Redezeit als auch Häufigkeit.
Um dies zu überprüfen, wollen wir regelmäßig mit Gender-Watches auf
mindestens einer LMV im Jahr durchführen.
Dadurch erkannte Missständen sollen durch angemessene Angebote, wie
Methodenworkshops, entgegenwirkt werden
Wir sprechen gezielt junge Frauen* an fördern sie, wenn sie möchten, und
diese je nach Kapazitäten durch ein eigenes Programm fördern. Ein Format
dafür wären FIT* Treffen oder Seminare.
Wir ermutigen FIT*Personen den Schritt zu Bündnis 90/die Grünen zu wagen
und sich in Gremien oder als deligierte wählen zu lassen.
Unser feministische Ideologie soll sich in unserer Sprache wiederspiegeln,
was sich unter anderem durch konsequentes Gendering in gesprochener und
geschriebener Sprache zeigt.
Öffentlichkeit
Frauen* bräuchten in einer von patriachaischen losgelösten Gesellschaft keine
Extraaufforderung sich in den politischen und öffentlichen Diskurs einzubringen.
Doch heute erachten wir Folgendes noch für sinnvoll:
Bei uns heißt es: Die Hälfte der Macht den Frauen*! Und das soll auch
überall in der Politik so sein. Denn während der Landtag Brandenburgs
immerhin noch gut 38% Frauen in den Reihen zu sitzen hat, sind im
Bundestag gerade mal ca. 30% Frauen vertreten und in den kommunalen
Parlamenten Brandenburgs ist nur ca ein Viertel weiblich. So gibt es hier
auch immer noch Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen
ohne eine einzige Frau. Das muss geändert werden! Daher unterstützt die
GRÜNE JUGEND Brandenburg die Forderung der Bündnisgrünen Landtagsraktion
nach einem Paritègesetz, der eine paritätische Besetzung der Landeslisten
und Direktmandate vorsieht. Das reicht uns aber nicht! Parität muss auch
in den kommunalen Parlamenten gegeben sein. Hierfür fordern wir eine
entsprechende Erarbeitung einer Änderung der Kommunalverfassung.
Aber auch das ist nicht genug! Damit Frauen* genauso an Politik teilhaben
wie Männer*, müssen Frauen* und Mädchen* auch aktiv für Politik begeistert
werden. Dafür braucht es Frauen*mentoringprogramme und andere Konzepte,
die gezielt Frauen* für Politik begeistern und fit machen.
Die Hälfte der Posten in allen öffentlichen Gremien sollen für Frauen*
reserviert sein.
Bildung
Wissen ist Macht! Und schafft Akzeptanz. Also:
Pädagog*innen, Lehrer*innen und Erzieher*innen sollten
sexuelle- und geschlechtliche Vielfalt soll im Unterricht, speziell im
Bereich der Biologie, sichtbarer werden und die Lehrende müssen
dahingehend fortgebildet werden.
Außerdem sollen Vertrauenslehrer*innen und -dozent*innen durch
Fortbildungsangebote für queere Themen und Alltagssexismus sensibilisiert
werden. An jeder Einrichtung sollte es mindestens eine weibliche und eine
männliche Ansprechperson geben.
Bildungseinrichtungen, sowie die von Schulen genutzten Sporthallen, sollen
zur Einrichtung von Unisextoiletten und -umkleiden aufgefordert werden und
gegebenenfalls finanziell unterstützt werden.
Öffentliche Bibliotheken sollen ein größeres Repertoire an aktuelle Sach-
und Fachbücher zu queeren Themen bereitstellen
Selbstbestimmung
Neben vielen weiteren sehen wir insbesondere zwei Aspekte in der aktuellen
Debatte um das Selbstbestimmungsrecht von Frauen* und Mädchen als Zentral an.
Wir fordern:
Die Abschaffung des Paragraphen 219a. Frauen* müssen selbst entscheiden,
ob sie abtreiben wollen - und dazu muss ihnen Informationsmaterial zur
Verfügung gestellt werden!
Ein Verbot in Brandenburg von sexistischer Werbung, die Menschen als
Sexualobjekte darstellt und stereotypische Rollenbilder. Die Werbung soll
durch ein Expert*innengremium geprüft und ,falls nötig, verboten werden
Zuvor sollen explizit kleinere Unternehmen in ländlichen Regionen auf
dieses Verbot aufmerksam gemacht
Begründung
Antifeminismus hat abermals Konjunktur. Die politische Rechte versucht unter dem Deckmantel des “Schutzes” der Frau stetig, ihr sexistisches und christlich-fundamentales Frauenbild zu propagieren, zuletzt vor wenigen Wochen beim von einer AfD Politikerin initiierten “Marsch der Frauen” in Berlin - alles was hier gefördert wird, sind Hass - und Spaltungsrituale. Doch es sind nicht nur einzelne Aktionen, sondern Strukturen, die Frauen systematisch benachteiligen. Das verbildlicht auch ein Frauenanteil von 10,6 % der AfD - Bundestagsmitglieder.
Die bekennende Rechte ist aber nur eine Zuspitzung, der insgesamt erschreckenden Zahlen der politischen Beteiligung von Frauen. So sind z.B. nur 30,7% aller Mitglieder des frisch gewählten Bundestages Frauen - Deutschland liegt damit weit hinter anderen europäischen Ländern wie Schweden, Spanien oder Frankreich. Unser Parlament kann so in keinster Weise die deutsche Gesellschaft wiederspiegeln.
Die geringe Beteiligung und Präsenz von Frauen, sowie ihre bewusste Marginalisierung in der politischen Sphäre ist nur eine der gravierenden, offensichtlichen Auswirkungen eines seit Jahrtausenden bestehenden, konstant und beabsichtigt aufrechterhaltenen und den Kapitalismus tragenden Rollenbilds der Frau als das schwache Geschlecht, die Sich-Kümmernde/Pflegende, die Familie-zusammenhaltende, die Schön-sein-müssende. Sie werden vom derzeit bestehenden Wirtschaftssystem in (mindestens) Viererlei Hinsicht bewusst ausgebeutet, denn Frauen
übernehmen den allergrößten Teil unbezahlten der Pflege- und Heimarbeit
arbeiten häufiger in unterbezahlten Jobs, die teilweise gezielt Menschlichkeit zu Zwecken des Profits ausnutzen (z.B. in der Pflege)
dienen als Projektionsfläche in herabwürdigender und objektivierender Werbung
tätigen in Europa etwa 72% aller Einkäufe und sind somit primäres Ziel der Konzerne.
In einer zuletzt veröffentlichten Studie des Bundesfamilienministeriums wird außerdem deutlich: die Ehe fördert die wirtschaftliche Abhängigkeit der Frau vom Mann. Von den verheirateten Frauen zwischen 30 und 50 Jahren verfügen 19% über keinerlei eigenes Einkommen, 63% verdienen weniger als 1000 Euro im Monat.
Aber nicht nur wirtschaftliche Aspekte machen das eigene Zuhause einer Frau oft zum Ort der Diskriminierung. Unabhängig von Bildung, Einkommen, Alter oder Religion ist die Gefahr für Frauen, innerhalb einer Partnerschaft mit einem Mann sexuelle oder körperliche Gewalt zu erfahren extrem hoch. Jede vierte Frau in ihrem Leben durchschnittlich mindestens ein Mal Opfer des eigenen Partners. Damit ist die Chance, Gewalt in einer Beziehung zu erfahren sogar höher als jene, von einem Fremden verletzt zu werden. Das zeigt deutlich: Frauen finden nicht einmal in ihrem Zuhause einen diskriminierungsfreien Raum vor.
Als Auszubildende, Studierende oder Schüler*innen sehen wir noch immer ungleiche Behandlung basierend auf dem Geschlecht und Heteronormativität in unseren Bildungsstätten. Sei es der Sexualunterricht, in dem gleichgeschlechtlicher Sex als etwas Abnormes dargestellt wird und in einem Zuge mit Aids genannt wird, Kommiliton*innen die das weibliche Geschlecht als Schimpfwort benutzen oder das binäre Toilettensystem, dass genderqueere Personen vor eine unangenehme Einordnung stellt.
Der Karlsruher Beschluss zur dritten Option und die Ehe für Alle sind Fortschritte in Deutschland. Dennoch begegnen LSBTIQ* Personen in ihrem Alltag fortfahrend Diskriminierung und Ablehnung und die Zahl von homo- und transphoben Straftaten stieg 2017 sogar. Wir sollten größere Schritte nehmen um ein besseres Vorbild für andere Länder inner- und außerhalb der EU darstellen zu können. Dass homo- und transphobe Taten als Hasskriminalität verfolgt werden, ist in Polen nicht der Fall. Auch in anderen europäischen Ländern werden die Menschenrechte von LSBTIQ* Personen verletzt, nicht nur im Osten. So werden in Italien unnötige medizinische Eingriffe an intersexuellen Kleinkindern nicht verboten. Die Genitalverstümmelung, Zwangsverheiratungen, Menschenhandel, unfreiwillige Prostitution sowie bewusste Hürden bei Abtreibungen sind weitere, erschreckende Probleme die in Europa und auf der ganzen Welt tagtäglichen Menschen, aber insbesondere Frauen und Mädchen in ihrer Freiheit, Gesundheit und Selbstbestimmung einschränken. Wir sehen hier Deutschland in der Verantwortung die Lage der Menschen in anderer Länder und hier zu verbessern.
All die genannten Punkte zwingen uns als Grüne Jugend Brandenburg dazu, täglich und eindringlich zu handeln und zum Handeln aufzufordern um der (all)täglichen, bewussten und unbewussten Diskriminierung entgegenzutreten.
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